Der jüngste Vorfall auf der beliebten Flaniermeile Las Ramblas am 17.08.2017 in Barcelona setzt eine Serie der Gewalt fort. So waren bereits zuvor in Nizza, London, Berlin und Stockholm Terroristen mit LKWs, SUVs und Vans in Menschenmengen gefahren. Seit Nizza propagiert der IS dieses Anschlagsmuster als erfolgreiches Modell. Ein Auto ist unauffällig und leicht zu besorgen. Wo Alltagsgegenstände für einen Massenmord genutzt werden, ist unser Gefühl von Sicherheit massiv irritiert.
Auch wenn die Taten uns aus dem Nichts treffen, bereiten sich die Mörder meist lange Zeit mental darauf vor. Sie konsumieren die Ideologie, treten in Austausch mit der radikalen Szene, kündigen ihre Taten im Internet implizit an. Sie hinterlassen Spuren, die auf ihren Gewaltakt hindeuten. So berichtet etwa der Spiegel, dass der mutmaßliche Täter von Barcelona bereits auf der Chatplattform Kiwi durch Aussagen aufgefallen war, wie: "Alle Treulosen töten, nur diejenigen Muslime verschonen, die der Religion folgen." Solche Kommunikationsweisen sind meist nur ein kleiner Anteil wiederkehrender Muster von Warnverhalten, die bei über 80 % von Attentätern nachgewiesen wurden (vgl. Gill 2015). In den seltensten Fällen wurden sie bislang aber im Vorfeld erkannt, ernst genommen bzw. den richtigen Stellen gemeldet.
Es ist derzeit bereits möglich, Verantwortliche in gesellschaftlichen Institutionen, wie Schulen, Unternehmen, Flüchtlingsunterkünften und Gefängnissen für diese spezifischen Indikatoren zu sensibilisieren. Auf der Grundlage jahrelanger Forschungsarbeit und internationaler Kooperationen schult das Institut Psychologie und Bedrohungsmanagement Fachpersonen darin, solche problematischen Verhaltensmuster zu erkennen, zu bewerten und auf diese in angemessener Weise zu reagieren. Zur Früherkennung von Radikalisierung im islamistischen Bereich wurde seitens des I:P:Bm ein computergestütztes Screeningverfahren entwickelt, dass über eine Onlineschulung ressourcensparend erlernt und somit auch zu einer breiten Sensibilisierung in Institutionen beitragen kann. Ein Artikel, in dem wir die wissenschaftliche Güte des Instrumentes darstellen, erscheint in der nächsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Kriminalistik". Der Ansatz arbeitet rein verhaltensbasiert und verbietet damit eine Stigmatisierung aufgrund religiöser Zugehörigkeit oder statischer Persönlichkeitsvariablen.
Ein komplexes Problem kann keine einfachen Lösungen haben. In einer Zeit in der wir es mit einer abstrakten, aber doch realen Bedrohung durch den Terrorismus zu tun haben, muss Prävention und Intervention auf mehreren Ebenen zusammengreifen: Reine Sicherheitsmaßnahmen sind auf lange Sicht nur vielversprechend, wenn sie mit Ansätzen verknüpft werden, die darauf abzielen der Attraktivität von schwarz-weiß Ideologien und gesellschaftlichen Polarisierungsprozessen den Nährboden zu entziehen. Diese Aufgabe wird uns noch viele Jahre begleiten. Die Fälle der Vergangenheit zeigen aber, dass es höchst überfällig ist, ein Klima der Achtsamkeit zu schaffen und darauf reagieren zu lernen, wenn wir Radikalisierung in unseren Reihen wahrnehmen.