von Nils Böckler und Dr. Jens Hoffmann, I:P:Bm
Am vergangenen Dienstag wurde der Mannschaftsbus des Fußballvereins Borussia Dortmund zum Ziel eines Anschlages. Derzeit ermittelt der Generalbundesanwalt wegen Verdachts eines politisch motivierten Attentates. Es gibt erste Hinweise, dass die Täter aus der islamistischen Szene stammen. Neben einem Bekennerschreiben, das vor Ort gefunden wurde und auf den IS hindeutet, wurde online ein weiteres Schreiben in Umlauf gebracht, in dem offenbar Linksextremisten die Tat für sich in Anspruch nehmen. Einige Experten vermuten auch ein rechtsextremistisches Motiv – die Ermittlungen werden hier Aufschluss geben.
Bei dem Anschlag handelt es sich um das erste gezielte Attentat auf einen deutschen Fußballverein. Auch wenn sich hier ein für uns noch relativ neues Anschlagsmuster zeigt, so passt es doch zum Kalkül des Terrorismus. Terroristische Handlungen sind immer als Botschaftsverbrechen zu verstehen. Sie dienen der gewaltsamen Durchsetzung ideologischer Motive und zielen auf die Herstellung von öffentlicher Aufmerksamkeit ab. In der angegriffenen Gesellschaft soll Angst und Schrecken verbreitet werden. Seitens der Terrororganisation geht es zudem darum, sich handlungsmächtig zu präsentieren und die Schwächen eines übermächtig wirkenden Systems aufzuzeigen.
Im Rahmen politisch motivierter Gewalttaten waren Sportveranstaltungen immer ein bevorzugtes Ziel – man denke beispielsweise an die Attentate im Zuge der Olympischen Sommerspiele 1972 (München) und 1996 (Atlanta), an das sogenannte Boston Marathon Bombing im Jahr 2013 oder den terroristischen Anschlag im November 2015 auf das Fußball-Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland im Rahmen einer Anschlagsserie in Paris.
Jetzt ist es erneut eine Fußballveranstaltung, die zum Vehikel der Botschaft gemacht wird. Während es beim Kicken in der Kreisliga immer auch um die Förderung von sozialen Kompetenzen und Gemeinsamkeit geht, vermögen es Europa- und Weltmeisterschaften, aber eben auch ein Championsleaguespiel, Nationen und Kulturen friedlich zu verbinden, Vorurteile abzubauen und das faire Kräftemessen voranzutreiben. Der Sport steht für Werte in einer Gesellschaft, die dem Terror entgegenstehen. Terror will polarisieren, Feindschaftsverhältnisse aufbauen und sinnt nach tödlicher Rache. Rache gegen ein System und gegen seine Bürger.
Als zerstörerisch symbolischer Akt ist dabei nicht nur der Anschlag auf den verbindenden Geist von Sportveranstaltungen zu bewerten, sondern auch auf die Fußballmannschaft selbst. Berühmte Persönlichkeiten mit denen wir mitfiebern, mit denen wir feiern, mit denen wir leiden. Ein Anschlag auf jene mit denen wir uns identifizieren, ist immer auch ein Anschlag auf unser Selbstverständnis. Das will Terror.
Der Vorfall – egal ob sich ein islamistischer Hintergrund bestätigen sollte oder ob er doch von rechts- oder linksextremer Seite initiiert wurde, zeigt, dass sich nicht nur öffentliche Plätze und Menschenmengen im Fadenkreuz befinden, sondern auch Stellvertreter, die für ein von den terroristischen Gruppierungen verhasstes System stehen. So wurde etwa in dschihadistischen Magazinen vor nicht allzu langer Zeit auch zu Morden gegen Wirtschaftsbosse und Politiker aufgerufen, die als Repräsentanten des dekadenten Westens identifiziert wurden.
Es wurde darüber spekuliert, dass der Anschlag gegen den BVB Dortmund nicht in die bekannten Ablaufmuster passt. Auch hierauf müssen wir uns als Gesellschaft einstellen: Terror ist innovativ, verändert sich und jeder Anschlag kann zum Teil eines neuen Skriptes werden. Terroristische Organisationen setzen bewusst auf die Kreativität autonomer Zellen und terroristischer Einzeltäter, um ihre Botschaft in immer neuen Gewaltakten zu verdichten. Der IS, aber auch viele rechte Organisationen, sind dabei längst nicht mehr nur die planenden Hintermänner, sie sind vielmehr Choreographen der Gewalt, indem sie ihre ideologischen Fragmente so aufbereiten, dass sie für Menschen, die sich abgehängt fühlen, zu einer attraktiven do-it-yourself Blaupause avancieren können. Diesen Entwicklungen können wir kaum allein etwas durch Sicherheitsvorkehrungen entgegensetzen – vielmehr müssen wir in Prävention und Früherkennung investieren. Dabei geht es auch darum, eine Sensibilität für Verhaltensveränderungen aufzubauen. Studien zeigen, dass sich Menschen in der Regel nicht ohne Vorzeichen soweit von unserer Gesellschaft entfremden, dass sie am Ende in totaler Opposition zu dem handeln, was wir lieben und mit dem wir uns identifizieren.