Ein Beitrag der I:P:Bm-Experten Mirko Allwinn & Nils Böckler
Die Banneraktion der Identitären Bewegung auf dem Brandenburger Tor sorgte vor wenigen Tagen für Aufsehen.
Die Identitären drängen sich wieder in die Öffentlichkeit. In den sozialen Medien feiern sie ihre vergleichsweise kleinen Aktionen und bereiten diese visuell auf. Dadurch lösen sie zeitlich und räumlich ungebunden ein virtuelles Echo aus. Die Identitäre Bewegung schmückt mit wohlklingenden Begriffen ihre rechtsextreme Einstellung. So stellt sie etwa Kultur, Freiheit und Selbstverwirklichung ebenso in den Mittelpunkt wie Erinnerung und Erbe.
Wie auch viele andere Propagandisten unterschiedlichster extremistischer Couleur knüpfen sie an den Ängsten der Menschen an, um über Emotionalität ihre Version der Wahrheit zu verkaufen. Die Identitäre Bewegung versteht sich dabei als Sprachrohr einer jungen Generation, die sich ihrer Heimat beraubt sieht. Beraubt durch Multikulturalismus und Islamisierung, bedroht durch den demografischen Kollaps. Ihre Antwort: die Identitäre Revolution, ihre Botschaft: der Einzelne ist nichts ohne sein Volk und ohne seine Wurzeln, ihr Plan: sie wollen „Multikulti wegbassen“.
Im Gegensatz zu anderen rechtsextremen Organisationen geben sie sich intellektuell und sind stolz auf ihren akademischen Hintergrund. Die Identitäre Bewegung gilt sicherlich als Beispiel für eine Gruppierung innerhalb der Neuen Rechten. In ihrer kruden Logik sprechen sie über ihre Liebe zu anderen Völkern, warnen zugleich aber vor der Durchmischung der Ethnien. Einwanderung füge allen betroffenen Gemeinschaften großen Schaden zu. Völkern werde ihre Seele geraubt, wenn sie aus ihrem natürlichen Lebensraum gerissen würden. Die Identitären verstehen sich als europaweite Bewegung und verknüpfen Blut und Boden Ideologie mit popkultureller Symbolik, um anschlussfähig für Jugendliche und junge Menschen zu sein. Sie reihen sich damit ein in eine Abfolge von Gruppierungen, die den Rechtsextremisten ein neues Image geben wollen – wie etwa die Autonomen Nationalisten und Nazi-Hippster, die auf YouTube Modetipps geben und zum gemeinsamen veganen Kochen aufrufen.
Ein breiter Sympathisanten- und Unterstützerkreis kann ein extremistisch-ideologisches Milieu bilden, in dessen Mitte gewaltbereite Personen und Kleingruppen aktiv werden. Wenn extremistische Ideologien und Diskurse salonfähig werden, kann das die wahrgenommene Legitimation für gewaltbereite Personen(gruppen) erhöhen. Vor diesem Hintergrund sind die neuen Medienstrategien junger extremistischer Bewegungen mit Sorge zu betrachten.
Zum vertiefenden Lesen zur Identitären Bewegung ein Artikel von Alexander Tieg in der Zeit mit einer Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzes:
http://www.zeit.de/2016/36/identitaere-bewegung-hamburger-verfassungsschutz
sowie einen Beitrag von Leon Scherfig worin u.a. ihr Ursprung, ihre Methoden sowie ihre Verbindungen zu anderen rechten Gruppierungen beschrieben werden:
Auch in unseren Seminaren Extremismus und Radikalisierung im Jugendalter und Rechte Gewalt nehmen wir Bezug auf neue rechtsradikale Gruppierungen, wie diese einzuordnen und welche Gegenstrategien möglich sind.